Was hat die Tourismusbranche von einer Neuauflage der Großen Koaltion zu erwarten? Nicht viel, wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht. Dementsprechend verhalten reagiert die Branche auf das Papier.
177 Seiten, 8365 Zeilen. Das ist der GroKo-Vertrag. Alle wichtigen Themen, die die Regierung in den kommenden vier Jahren angehen will, sind darin festgehalten. „Ein neuer Aufbruch für Europa | Eine neue Dynamik für Deutschland | Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“. So lautet das Motto des Papiers. Es geht um Integration, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit und Soziales, Außenpolitik. Das Wort Tourismus kommt nicht besonders oft vor. Genauer gesagt sind es drei Seiten, die sich mit dem Thema befassen.
Koalitionsvertrag: 3 Seiten mit Tourismus
Unter dem Zwischentitel: „Genossenschaften, Kammern und Tourismus“ heißt es ab Zeile 2.944 wörtlich: „Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland, auch in ländlichen Räumen. Wir wollen die touristische Entwicklung nachhaltig stärken. Wir vereinbaren unter Beachtung der föderalen Grundsätze der Tourismuspolitik (gemeinsam mit den Ländern) und den Kompetenzen des Bundes für die Tourismuswirtschaft einen ganzheitlichen wirtschaftspolitischen Ansatz in Form einer nationalen Tourismusstrategie. Dabei wollen wir die Rahmenbedingungen für den Tourismus in Deutschland weiter verbessern, von der Werbung im Ausland über einheitliche Qualitätskriterien und eine Fachkräfteoffensive mit der Branche bis hin zur Barrierefreiheit. Die Förderinstrumente von EU, Bund und Ländern müssen enger miteinander verzahnt werden.“
Wasserstraßen sind ein Thema
Weiter hinten geht es dann noch um geplante neue Konzepte für Nebenwasserstraßen, die vor allem dem Tourismus und Sport dienen. Und auf Seite 120, unter „Lärmschutz und Bürgerbeteiligung“ kommt der Tourismus ebenfalls nochmals vor: „Bei der Gestaltung von Lärmschutzmaßnahmen im Schienenverkehr sollen insbesondere die jeweiligen Anforderungen an Sanierungsabschnitte mit besonderer Bedeutung für die Tourismus- und Gesundheitswirtschaft berücksichtigt werden.“
„Nationale Tourismusstrategie“
Das war es dann auch schon mit dem Thema Tourismus im GroKo-Vertrag. Dass die Reaktionen aus der Tourismusbranche eher verhalten ausfallen, verwundert also weiter nicht. Michael Frenzel zum Beispiel, seines Zeichens Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft, lobt zwar die Idee der nationalen Tourismusstrategie. „Bislang vermissen wir jedoch handfeste wirtschaftspolitische thematische Aussagen.“ Er hofft, dass der ganzheitliche Ansatz kein „Lippenbekenntnis“ bleibt.
Koalitionsvertrag „lässt Sachverstand vermissen“
Noch kritischere Töne kommen vom DRV, dem Deutschen Reise Verband: „Insgesamt lässt der Koalitionsvertrag mit seinen dürren Aussagen über den Tourismus wirtschaftspolitischen Sachverstand vermissen“, sagt dessen Hauptgeschäftsführer Dirk Inger.
„Faire Rahmenbedingungen“ für Luftverkehrswirtschaft
Dem Luftverkehr widmet die GroKo in ihrem Koalitionsvertrag übrigens mehr Aufmerksamkeit. Ihm ist sogar ein eigener Unterpunkt gewidmet. Ab Seite 80 heißt es unter anderem: „Wir wollen faire Rahmenbedingungen im Einklang mit europäischen und internationalen Regelungen für die Luftverkehrswirtschaft. Dazu gehören die Umsetzung des Luftverkehrskonzeptes, die Entlastung unserer Flughäfen und Luftfahrtunternehmen von einseitigen nationalen Kosten. Damit habe wir bereits im letzten Jahr begonnen. Die bedarfsgerechte Kapazitätserweiterung der Flughäfen muss auch in Zukunft möglich sein. Die Luftverkehrswirtschaft ist aufgefordert, den durch Emissionen verursachten Nachteilen wirksam zu begegnen.“
Damit wird angedeutet, dass die Luftverkehrssteuer zur Disposition steht. Konkret wird das Papier hier jedoch nicht. Ebenfalls im Vertrag: der Staat soll die massiv gestiegenen Kosten der Luftsicherheitskontrollen anteilig übernehmen. Die Sicherheit der Menschen beim Fliegen sei schließlich eine hoheitliche Aufgabe.
BER und Köln/Bonn namentlich genannt
Auch zwei Flughäfen werden im Koalitionsvertrag namentlich genannt, sogar in Form von klaren Beschlüssen: „Wir halten an der Beteiligung des Bundes am Flughafen Köln/Bonn fest. Alle Beteiligten sind aufgefordert, an einer zügigen Fertigstellung des neuen Hauptstadt-Flughafens BER mitzuwirken.“
BDL, ADV und BDF, also die Verbände für Luftverkehrswirtschaft, Flughäfen und deutsche Fluggesellschaften, sehen hier zwar „erste Schritte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“. Allerdings ist man auch hier skeptisch. Es besteht dringender weiterer Handlungsbedarf, heißt es.